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| II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als das Halbeinkünfteverfahren und das Halbabzugsverbot (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG) bei der Ermittlung des im Übrigen unstreitigen Veräußerungsverlustes (§ 17 Abs. 1, 4 EStG) anzuwenden ist. |
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| 1. Die Vorentscheidung ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Sie hat über den Einkommensteuerbescheid vom 21. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. August 2009 entschieden. Während des Revisionsverfahrens ist am 19. November 2010 ein geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ergangen. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr wirksamer Bescheid zugrunde, mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (BFH-Urteile vom 14. Januar 2004 IX R 55/03, BFH/NV 2004, 656; vom 27. Juli 2004 IX R 44/01, BFH/NV 2005, 188). |
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| Der Senat entscheidet nach §§ 100, 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf der Grundlage der bestehen bleibenden tatsächlichen Feststellungen des FG in der Sache und sieht wegen Spruchreife der Sache von einer Zurückverweisung nach § 127 FGO ab (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFH/NV 2011, 880, unter II.1.). |
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| 2. Zu Unrecht hat das FG §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG im Streitfall nicht angewandt. |
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| a) Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG ist die Hälfte des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen; denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163). |
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| Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein (BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627). |
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| b) Wie der Senat mit seinem Urteil vom 6. April 2011 (IX R 40/10, BFHE 233, 442) entschieden hat, sind Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot auch anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige wegen lediglich geringfügiger Veräußerungseinnahmen im Ergebnis einen Verlust erwirtschaftet hat. Auf diese Entscheidung wird --um Wiederholungen zu vermeiden-- verwiesen. |
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| 3. a) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die von der Klägerin aus der Veräußerung der GmbH im Insolvenzverfahren erlangten 4.000 EUR lediglich zur Hälfte steuerpflichtig (§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG). Dementsprechend sind die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen auf die Anteile der Klägerin (169.809,42 EUR) nur zur Hälfte anzusetzen. |
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| b) Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin nach den finanzgerichtlichen Feststellungen die Aufwendungen für den Erwerb ihrer Anteile bereits in den Jahren 1998 und 2000, also vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens/Halbabzugsverbots im Jahr 2002 (§ 52 Abs. 4b Satz 1 Nr. 2, Abs. 8a Satz 1 EStG) getätigt hat. Lediglich im Veranlagungszeitraum 2001 --oder davor-- realisierte Auflösungsverluste wesentlich Beteiligter unterliegen ebenso wie Veräußerungsverluste noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren (im Einzelnen § 52 Abs. 4b Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG; BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 25/05, BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298). |
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| Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1 EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises oder des gemeinen Werts i.S. des § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Satz 1 ist nach Satz 2 dieser Vorschrift entsprechend in den Fällen des § 17 Abs. 4 EStG anzuwenden. Diese Regelung ist nach § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621) erstmals auf Erträge i.S. des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c (Sätze 1 und 2) EStG nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, für das das Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (BGBl I 2000, 1433) gilt, anzuwenden. |
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| Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr wird das neue Körperschaftsteuerrecht somit erstmals 2001 angewendet (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2009 IX R 57/08, BFHE 227, 431, BStBl II 2010, 607, unter II.2.a). Bei nicht dem Kalenderjahr entsprechendem Wirtschaftsjahr wird das neue Körperschaftsteuerrecht nach § 34 Abs. 2 KStG erstmals im Veranlagungszeitraum 2002 angewandt, wenn das erste im Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr vor dem 1. Januar 2001 begonnen hat. Veräußerungen werden bei kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahren somit erstmals nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert, wenn die Veräußerung im Jahr 2002 erfolgt, bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr für Veräußerungen im Jahr 2003. |
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| Hingegen ist nach § 34 Abs. 11 Satz 1 KStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858) und nach § 34 Abs. 14 Satz 1 KStG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23. Juli 2002 (BGBl I 2002, 2715 --dort inhaltsgleich übernommen--) das neue Körperschaftsteuerrecht erstmals auf Liquidationen anzuwenden, deren Besteuerungszeitraum im Jahr 2001 endet (dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298, m.w.N. zum Streitstand). Bereits im Veranlagungszeitraum 2001 entstandene Auflösungsverluste sind ebenso wie offene Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne/-verluste in voller Höhe steuerlich zu berücksichtigen. Weder die auf die Beteiligung gemachten Anschaffungskosten noch der hierdurch erwirtschaftete Gewinn stehen bei einem im Jahr 2001 realisierten Auflösungsverlust in einem Zusammenhang mit dem Halbeinkünfteverfahren (vgl. Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2005, 1517, 1531). Der Gesetzgeber geht wie bei der Veräußerung des Anteils von einer Totalausschüttung aus (BFH-Urteil in BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298). |
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| Der Liquidationsverlust ist im Rahmen der besonderen stichtagsbezogenen Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG auf den Zeitpunkt seiner Entstehung --endgültig-- zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654). |
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| Die steuerliche Belastung oder im Falle eines Verlustes die Entlastung hat der BFH (in BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298) nach dem Zeitpunkt der Realisation des Veräußerungsgewinns/ -verlustes oder Auflösungsgewinns/-verlustes ausgerichtet. Die hälftige Einbeziehung von Aufwendungen in die Berechnung des danach dem Halbeinkünfteverfahren und in der Konsequenz auch dem Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG unterliegenden Veräußerungsverlustes im Streitfall, die bereits vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens getätigt wurden, entspricht der Stichtagsbesteuerung gemäß § 17 EStG. Zwar hat der BFH angenommen, dass ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit vom Halbeinkünfteverfahren erstmals (2002) erfassten offenen Gewinnausschüttungen grundsätzlich erst dann gegeben ist, wenn der Gesellschafter die Aufwendungen im Jahr 2002 geleistet hat (BFH-Urteile vom 27. März 2007 VIII R 10/06, BFHE 217, 502, BStBl II 2007, 866, sowie VIII R 23/06, BFH/NV 2007, 1842). Dies ist dem Umstand geschuldet, dass § 52 Abs. 8a EStG dem Wortlaut nach lediglich von einem "wirtschaftlichen Zusammenhang" zwischen Aufwendungen und Erträgen spricht, d.h. die in § 3c Abs. 2 EStG enthaltene ergänzende Regelung "... unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die ... Einnahmen anfallen ...", fehlt; dies deshalb, weil --anders als im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 8a EStG-- die Eindämmung von Steuergestaltungen keine Bedeutung hat, so dass das gegenüber § 3c Abs. 2 EStG offener gefasste Merkmal "wirtschaftlicher Zusammenhang" nicht überperiodisch zu verstehen ist. Hieraus folgt aber nicht, dass auch bei Berechnung eines Veräußerungsverlustes Aufwendungen, die vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens getätigt wurden, voll anzusetzen wären, weil es am wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen fehlte, für die das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden ist. Dieser wirtschaftliche Zusammenhang wird durch die stichtagsbezogene Besteuerung des Veräußerungsgewinns bzw. -verlustes gemäß § 17 Abs. 1, 2, 4 EStG hergestellt. |
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| c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Vertrauensschutzaspekten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Vertrauen des Steuerpflichtigen darauf, dass er Wertsteigerungen von Anteilen steuerfrei veräußern kann, bis zur Verkündung des dies ändernden Gesetzes für schutzwürdig erachtet und § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, S. 402) für nichtig erachtet, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 am 31. März 1999 entstanden sind und die entweder --bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt-- nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder --bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes-- sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BFH/NV 2010, 1976). Jedoch kommt eine Parallelbehandlung dieser steuerfreien Gewinnrealisierung und der vollen Ansetzbarkeit der Aufwendungen im Streitfall nicht in Betracht, da es hier um die Korrespondenz von Aufwendungen und Einnahmen im Rahmen der stichtagsbezogenen Gewinnermittlung geht. |
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