| II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die finanzgerichtliche Würdigung der Frage der Einzahlung der streitbefangenen Stammeinlage seitens der Klägerin hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. |
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| 1. Die Klägerin war wesentlich i.S. von § 17 Abs. 1 EStG an der GmbH beteiligt. Im Rahmen der Berechnung des daraus resultierenden Auflösungsverlusts (§ 17 Abs. 4 EStG) führt die Einzahlung einer Stammeinlage --wovon zutreffend auch das FG ausgeht-- zu Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 2 EStG, § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs. Die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG trägt jedoch dessen Beweislastentscheidung hinsichtlich der Einzahlung der Stammeinlage seitens der Klägerin nicht. |
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| a) Die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--, § 3 Abs. 1 AO) erfordert grundsätzlich die reale Feststellung des Vorliegens der gesetzlichen Merkmale der jeweiligen Steuernorm. Dem tragen der Untersuchungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 FGO) sowie § 96 Abs. 1 1. Halbsatz FGO Rechnung; das FG hat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des jeweiligen Besteuerungstatbestandes zu gewinnen (vgl. nur Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 2, 65). |
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| aa) Ist dabei eine unmittelbare Beweisführung nicht möglich, sind also keine Beweismittel vorhanden, aus denen sich direkt das Vorliegen einer beweisbedürftigen Tatsache ergibt, so hat das FG ggf. vorhandene Hilfstatsachen (Indizien) zu würdigen, die mittelbar --auch über Erfahrungssätze-- einen Schluss auf eine entscheidungserhebliche Haupttatsache ermöglichen (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 96 FGO Rz 35). |
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| Dabei deuten einzelne Indizien lediglich mit mehr oder weniger hoher bzw. schwacher Wahrscheinlichkeit auf einen bestimmten Geschehensablauf hin, sodass sie immer nur Teil einer umfassenden Beweiswürdigung sein können. Das FG erlangt beim Indizienbeweis erst durch die Gesamtwürdigung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juli 2002 IX R 99/00, BFH/NV 2002, 1563; Spindler, Steuerberater-Jahrbuch 2002/2003, 61, 63) mehrerer, für sich allein genommen nicht ausreichender Beweisanzeichen seine volle Überzeugung vom Nicht-Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Merkmals des Besteuerungstatbestands (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 96 FGO Rz 36). |
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| Der revisionsrechtlichen Kontrolle (§ 118 Abs. 2 FGO) hält eine darauf beruhende Entscheidung des FG stand, wenn dessen Schluss möglich bzw. vertretbar ist, das heißt das FG im Rahmen freier Beweiswürdigung zu einer verfahrensfehlerfreien Gesamtwürdigung gelangt, die weder Denkgesetze noch Erfahrungssätze verletzt und auch keinen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder sonstiges Verfassungsrecht enthält (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Rz 64, 87; BFH-Urteile vom 18. April 2000 VIII R 74/96, BFH/NV 2001, 152; in BFH/NV 2002, 1563, unter II.1.c). |
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| bb) Allein der Umstand, dass ein unmittelbares Beweismittel aus dem Bereich des Steuerpflichtigen nicht zur Verfügung steht, entbindet das FG nicht vom Untersuchungsgrundsatz und von einer Gesamtwürdigung aller vorhandenen Indizien. |
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| Lediglich in Fällen, in denen die Prozessbeteiligten schuldhaft die ihnen obliegenden Mitwirkungs-, Informations- und Nachweispflichten verletzen, kann dies im Ergebnis zu einer Beweismaßreduzierung (BFH-Beschluss vom 7. Mai 2004 IV B 221/02, BFH/NV 2004, 1367) führen. Jenseits dessen kann die Mitverantwortung der Beteiligten für die Sachverhaltsaufklärung die Ermittlungspflicht des FG begrenzen und ggf. Schlussfolgerungen zum Nachteil des Verantwortlichen rechtfertigen. |
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| b) Nach diesen Grundsätzen kann die Beweislastentscheidung des FG hinsichtlich der Einzahlung der Stammeinlage der Klägerin keinen Bestand haben. |
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| Das FG hat verkannt, dass es sich bei den von ihm als unmittelbare Beweismittel für die Einzahlung der Stammeinlage verworfenen Umständen, insbesondere der Einzahlungsverpflichtung lt. Gesellschaftsvertrag, der Bilanzierung ausstehender Einlagen bei der GmbH mit 0 DM wie auch der Eintragung der GmbH um Indizien handelt, die in eine Gesamtwürdigung hätten einfließen müssen. Stattdessen hat das FG alle festgestellten Indizien nur je für sich, aber nicht insgesamt gewürdigt. Ohne den langen Zeitablauf seit Gründung der GmbH in eine Gesamtwürdigung miteinzubeziehen, hat sich das FG auf die Feststellung beschränkt, der Klägervortrag biete keinen Anlass, von den strengen Beweisanforderungen abzuweichen. Damit hat das FG das Erfordernis und den Inhalt der Gesamtwürdigung der vorhandenen Indizien wie auch die Ergiebigkeit einzelner Indizien verkannt. Es hat eine Beweislastentscheidung getroffen, ohne zuvor --wie dies der Untersuchungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 FGO) gebietet-- die Voraussetzungen eines non liquet hinreichend geprüft zu haben. |
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| 2. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann die vom FG unzutreffend unterlassene Gesamtwürdigung der seitens des FG hinreichend festgestellten Einzelindizien selbst vornehmen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351). |
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| Ergiebiges Indiz für die Einlageleistung der Klägerin ist der bilanzielle Ausweis der ausstehenden Einlage mit 0 DM und dessen Übernahme in die Prüferbilanz. Der Prüferbilanz verleiht der Umstand besonderes Gewicht, dass der Prüfer bei Nichtverzinsung einer nicht erbrachten Stammeinlage ggf. eine verdeckte Gewinnausschüttung zu veranschlagen gehabt hätte (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Wenn das FA in der Prüferbilanz aber den Ausweis der ausstehenden Einlagen mit 0 DM anerkannt hat, kann dies nicht mit bloßem neuerlichen Bestreiten seitens des FA entkräftet werden, stellt sich dies doch lediglich als Bestreiten ins Blaue hinein (vgl. Oberlandesgericht --OLG-- Frankfurt a.M., Urteil vom 26. Juli 2000 - 23 U 118/99, Neue Juristische Woche-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2001, 402) und damit als venire contra factum proprium dar. Auch die Eintragung der Gesellschaft bestätigt --zumindest, was die hierfür erforderliche Einlage betrifft-- die Richtigkeit des bilanziellen Ausweises, zumal falsche Angaben über die Einlageleistung zum Zwecke der Eintragung der GmbH gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG strafbewehrt sind. |
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| Demgegenüber kann angesichts des langen Zeitablaufs seit der Eintragung der GmbH jedenfalls daraus, dass die Klägerin keinen Einzahlungsbeleg mehr vorweisen kann, kein Indiz dafür abgeleitet werden, dass keine Einzahlung erfolgt ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 5. April 2006 4 U 156/05, Der Betrieb 2006, 996). |
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| In die Gesamtwürdigung hat auch einzufließen, dass es unverhältnismäßig wäre, würde die Berücksichtigung der Stammeinlage als Anschaffungskosten nach 20 Jahren von der Vorlage des entsprechenden Zahlungsbelegs abhängig gemacht, wenngleich sie eine Aufbewahrungspflicht vergleichbar der in § 147 AO normierten nicht trifft. |
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| Unabhängig davon, ob sich daraus eine Beweismaßreduzierung ergibt, verstärkt der Zeitablauf ohne Aufbewahrungspflicht und ohne dass für die Klägerin besondere Umstände erkennbar gewesen wären, speziell einen Einzahlungsbeleg über die Stammeinlage aufzubewahren, jedenfalls die indizielle Bedeutung der Aussage der Klägerin zu ihrer Einlageleistung sowie der entsprechenden buchmäßigen Behandlung der Stammeinlage bei der eingetragenen Gesellschaft. |
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| Danach hat der Senat keine Zweifel, dass die Klägerin die streitige Einlage vollständig erbracht hat. |
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